|
 |

Die Befreiung von den vier Vorstellungen
Es wird gesagt: „Ein Zen-Meister ist eine Person, die in idealer Weise frei und nur ihrem Selbst verantwortlich ist". Was bedeutet dies?
Es gibt viele Formen, „frei“ zu sein. So kann man frei sein, nach Belieben dies und jenes zu tun, indem man sich auf politische Macht, auf Geld, oder auch auf rohe Gewalt stützt. Ein Zen-Meister hat nichts davon, und doch ist er in vollkommener, in idealer Weise frei. Wie ist das möglich?
Im Diamant-Sutra heißt es, der ganzen Welt der Erscheinungen liegen die „vier Vorstellungen“ (laksanas) zugrunde. Die wichtigste und grundlegendste von ihnen ist die Vorstellung von einem Selbst. Dies ist die fixe Idee, dass es so etwas wie ein „Ich“ oder „Selbst“ gäbe. Unser Ich ist uns lieb und teuer, und wenn jemand sagt: „So ein Selbst gibt es gar nicht“, fühlen wir uns angegriffen und beleidigt, und wir verteidigen dieses „Selbst“ mit Zähnen und Klauen. Um die Vorstellung von einem Selbst gruppieren sich die Vorstellung von einer Person (zum Beispiel der Gedanke, es gäbe andere Menschen, die nicht „ich“ sind), die Vorstellung von fühlenden Wesen (dies umfasst etwa auch die Vorstellung eines Kreislaufs von Wiedergeburten) und die Vorstellung von einer Lebensspanne (einschließlich von Gedanken über Zeitabläufe und ein Schicksal). In diese vier illusionären Vorstellungen sind wir völlig verstrickt und schleudern dann aus unserem Inneren ständig unzählige einzelne Illusionen hervor, die wir hegen und pflegen und von denen wir wie besessen sind.
Ein Zen-Meister hat durch seine Praxis die vier Vorstellungen hinter sich gelassen, er ist ihrer ganz und gar ledig geworden. Und so kann er, wenn er seine Praxis vollendet hat, nur noch seinem Selbst verantwortlich sein. Selbst wenn er gerne etwas ganz Bestimmtem gegenüber verantwortlich wäre, so würde sich dies als ganz unmöglich erweisen!
Nur wenn ihr die wahre Bedeutung dieser Sätze versteht, könnt ihr ermessen, wie wichtig die wahre Praxis ist. Löst also eure Verstrickung in die vier Vorstellungen und seht euer wahres Selbst, indem ihr mit Geduld und Beharrlichkeit den Weg der Praxis geht und immerzu die große Frage haltet: „Was ist dies?“
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, Februar 2016
^TOP

Zen und die Praxis der sechs Paramitas
Was ist das Ziel der Zen-Praxis? Das ist, wie ihr wohl wisst, seine wahre Natur zu sehen. Die wahre Natur, nach der du suchst und der wahre Geist des Buddha sind dabei nicht dual. Es ist die Vollkommenheit des Lebens. Da gibt es weder gut noch schlecht, weder groß noch klein. Wenn das so ist, woher kommen dann aber die Probleme?
Manch einer mag sagen, es sind die drei Arten von giftigem Geist (tri akusala mula), die die Probleme machen. Das ist richtig. Ein Praktizierender muss jedoch wissen, dass nicht nur der üble Geist, sondern auch der kusala mula, der gute Geist, Probleme erzeugt.
Woher kommen akusala mula ebenso wie kusala mula? Aus den sechs Arten von Bewusstsein. Diese entstehen dadurch, dass die sechs Sinnesorgane auf die sechs Sinnesobjekte treffen. Diese sechs Arten von Bewusstsein, aus denen guter und schlechter Geist entspringt, werden in der Schule der Praxis daher die sechs Diebe (korean.: yuk jeok) genannt. Wie nun kann man diese sechs Diebe besiegen? Indem man die sechs Arten von Bewusstsein mit Hilfe der sechs Paramitas kultiviert.
Dhana, Freigebigkeit, bedeutet dabei Loslassen, alle Illusionen abschneiden. Shila, das Halten der Gebote, bedeutet, den Geist auch kontinuierlich rein und klar zu erhalten. Dies ist jedoch nicht einfach! Es bedarf daher großer Geduld (ksanti) und fortwährender Übung (viriya).
Übst du die ersten vier Paramitas, so kannst du schließlich Ruhe und Frieden des Geistes erlangen. Durch die Praxis der Achtsamkeit oder Versenkung (dhyana) wird dein Geist schließlich klar und weit wie der Raum. Dann ist alles einfach so. Dies nennen wir Erleuchtung oder Weisheit (prajna).
Kann man nun sagen: Die Zen-Praxis ist etwas anderes, sie stützt sich nicht auf die sechs Paramitas? Keineswegs! Das Kultivieren der sechs Paramitas ist die wahre Lehre des Buddha und der großen Lehrer. Die Zen-Praxis ist aber ein besonderer Weg der Sechs Paramitas. Der Zen-Weg ist kurz, einfach und aktiv. Er ist genau die Totalität des Kultivierens der sechs Arten von Bewusstsein mittels der sechs Paramitas!
Wenn du so praktizierst, ist das lebendige Praxis. Und wenn dein Geist rein und klar ist wie ein Spiegel, kannst du alle Rätsel deines Lebens und des gesamten Universums lösen.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, Mai 2016
^TOP

Wenn Ihr sitzt und praktiziert, seht Ihr etwas oder nicht?
Eines Tages besuchte der noch sehr junge Zen-Schüler Shin Su den berühmten sechsten Patriarchen Hye-neung (chin. Hui-neng). Nachdem er Niederwerfungen vor dem Zen-Meister gemacht hatte fragte er ihn: „Ehrwürdiger Zen-Meister, wenn Ihr sitzt und praktiziert, seht Ihr dann etwas oder nicht?“
Hye-neung antwortete: „Wenn ich sitze und Zen praktiziere sehe ich manchmal etwas und manchmal nichts.“
Der junge Schüler fragte daraufhin: „Was bedeutet das, manchmal etwas zu sehen und manchmal nichts?“
Der Zen-Meister erwiderte: „Wenn ich etwas sehe, so sehe ich meine eigenen Fehler, wenn ich nichts sehe, so sehe ich die Fehler anderer nicht.“
Was bedeutet dies?
Die eigenen Fehler zu sehen heißt, die eigenen illusionären Gedanken zu sehen. Die Fehler der anderen nicht zu sehen heißt, die Meinungen anderer nicht zu sehen.
Wir fühlenden Wesen neigen immer dazu, an den Meinungen und Gedanken anderer anzuhaften und uns darin zu verstricken. Ihr Praktizierenden, haltet stattdessen immerzu euer Koan; dann werden eure eigenen Fehler, eure Illusionen langsam sichtbar und werden ganz von selbst zerstört. Versucht ihr hingegen, eure Gedanken absichtlich zu zerstören, so wird euch das nicht gelingen.
Wenn ihr euer Koan fest haltet und alle anderen Gedanken abschneidet, könnt ihr alle Illusionen überwinden und ein glückliches und freies Leben führen.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Zuflucht zum Dharma nehmen
Als Buddhisten nehmen wir Zuflucht zu den drei Juwelen:
„Ich nehme Zuflucht zum Buddha.
Ich nehme Zuflucht zum Dharma.
Ich nehme Zuflucht zur Sangha.“
Wenn wir Zuflucht zum zweiten Juwel, zum Dharma (korean.: Beob) nehmen, nehmen wir Zuflucht zum Dharma, den der Buddha durch seine Praxis erreicht hat.
Dharma bedeutet wörtlich „Gesetz“ oder „Prinzip“, aber im Gegensatz zu weltlichen Gesetzen, die vom Geist geschaffen werden, ist der Dharma des Buddha genau der wesentliche Punkt deines Geistes, der alle weltlichen Prinzipien erschafft. Aus ihm entspringt alles, wie es der Buddha im Diamant-Sutra lehrt: alle Situationen, gute und schlechte, Leben und Tod gehen aus ihm hervor. Wir nennen diesen Punkt „Buddha-Dharma“, sollten aber wissen, dass auch dies nur ein Name ist, den wir nur als hilfreiches Mittel verwenden, an dem wir aber nicht anhaften sollten.
Im Diamant-Sutra wird dieser Punkt auch als Anuttara Samyak Sambodhi („die höchste vollkommene Erleuchtung“) bezeichnet. Diesen „Dharma der Anuttara Samyak Sambodhi“, aus dem alles entspringt, versuchen alle Praktizierenden durch stetige intensive Praxis zu erreichen. Bevor er vom Praktizierenden erreicht wird, ist sein Geist verworren, voller Leiden und instabil.
Wie aber können wir diesen wesentlichen Punkt unseres Geistes erreichen? Es gibt keinen anderen Weg, als eifrig und hingebungsvoll zu praktizieren, indem wir uns von Augenblick zu Augenblick auf die Koan-Frage stützen: Was ist dies, das alles erschafft? Was ist dies, aus dem alles entspringt? Was bin ich?
Haltet diese Frage immerzu und schreitet so unentwegt voran für zehntausend Jahre.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Was ist der Ursprung allen Leidens?
Eines Tages fragte ein Schüler den 6. Patriarchen Hye-neung: „Ich weiß nicht was ich bin. Bitte belehrt mich.“
Der Zen-Meister sagte: „Lasse weder gut noch schlecht entstehen! Wenn du sowohl gut als auch schlecht niederlegst, was ist dann dein ursprüngliches Gesicht?“
Ihr genießt es immerzu, gute und schlechte Gedanken entstehen zu lassen. Wenn ihr weiter damit fortfahrt, könnt Ihr euer wahres Gesicht niemals erkennen. Selbst wenn du fortwährend gute Gedanken hast, so werden dich diese guten Gedanken töten. Wenn du aber beständig schlechte Gedanken hast, so werden diese dich in Schwierigkeiten bringen. Wie kannst du also guten und schlechten Gedanken entkommen?
Manch einer mag jetzt fragen: „Aber, Ehrwürdiger Zen-Meister, wenn ich weder gute noch schlechte Gedanken habe, ist das nicht das Denken eines Toten?“ Wenn du so denkst, haftest du guten und schlechten Situationen sehr an.
Warum praktizieren wir?
Wegen des Leidens. Buddha sagte, alle lebenden Wesen leiden. Wenn sie leiden, muss es unzweifelhaft auch einen Ursprung des Leidens geben. Wenn du frei sein willst vom Leiden, solltest du die Ursache des Leidens abschneiden. Also ist es sehr wichtig, den Ursprung des Leidens zu kennen. Daher, wenn du frei sein willst von allem Leiden, solltest du einen Zweifel, eine Frage darüber hegen, woher das Leiden kommt. Aber wenn du auch nur einen Gedanken entstehen lässt, kannst du nicht frei sein vom Leiden.
Ich hoffe, ihr lasst alles los, haltet nur diese eine Frage und erleuchtet sie.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Die drei Arten von giftigem Geist
Die „drei Arten von giftigem Geist“ (tri akusala mula) sind nach der buddhistischen Lehre Begierde, Wut und
Verblendung. Das erste „Gift“, Begierde, umfasst dabei neben Gier auch subtilere Formen des Verlangens. Das
zweite „Gift“, Wut (auch Ärger oder Hass) hängt mit dem ersten zusammen: Bleibt die Begierde aufgrund von Hindernissen, die sich ihrer Befriedigung entgegenstellen, unerfüllt, entsteht Ärger.
Unter Verblendung verstehen wir verworrene Gedanken, die einer Verdunkelung des Geistes gleichen. Daher kann man auch von „Unwissenheit“ sprechen. Diese Verblendung oder Unwissenheit umfasst viele Arten von Geistesaktivitäten: allerlei trickreiche, schlaue Gedanken, die wir entwickeln, um unsere Begierde zu befriedigen; Pläne, die wir uns zurechtlegen, um mit dem Ärger fertig zu werden, alle solche Lebensplanungen, sogar der Wille,
„Ich will die Geistesgifte loswerden“.
So sind die tri akusala mula der gesamte Inhalt unserer Gedanken. Da unsere Gedanken aber das ganze Universum sind, sind auch die tri akusala mula das ganze Universum. Um frei zu werden von diesem „Geistesgift-Universum“, das aus allen unseren Gedanken besteht, empfiehlen Zen-Meister den Praktizierenden am Anfang, mit einem Mantra zu üben, das den Geist konzentriert hält und das gleichzeitig böse Ereignisse verhindern kann.
Der beste Weg aber ist die Koan-Praxis. Durch die Koan-Methode kann der Praktizierende, indem er kontinuierlich die Koan-Frage hält, sein wahres Selbst sehen. Dies ist für weltliche Praktizierende, die für ihre Familie sorgen müssen, nicht einfach. Wer aber sein Leben gut eingerichtet hat, kann sich, auch wenn er kein Mönch ist, ganz auf die Koan-Praxis werfen.
Daher, ihr Praktizierenden, ist eure freie Zeit besonders kostbar. Ihr solltet sie nicht verschwenden, sondern eifrig mit der Koan-Praxis verbringen! So könnt ihr die tri akusala mula abschneiden und einen klaren und reinen Geist halten.
Wer ist es, der die drei Geistesgifte erzeugt? Was genau ist dasjenige, das alles erschafft?
Gib mir ein Wort!
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
„Prajna“, die höchste Weisheit
Das Wort „Prajna“, das im Diamant-Sutra und in vielen anderen buddhistischen Texten vorkommt, wird in westliche Sprachen gewöhnlich mit „Weisheit“ übersetzt. Doch „Prajna“ ist nicht gewöhnliche, weltliche Weisheit, die durch Wissen erlangt wird. Prajna, zu dem die Zen-Praxis führt, ist letztlich nichts anderes als dein klarer Geist, nichts anderes als die Buddha-Natur.
Am Anfang stützt sich der Praktizierende auf das „Prajna des Wortes“ (literary prajna), indem er Sutren liest und rezitiert und Dharmareden hört. So erlangt er das theoretische Verständnis, dass er sich am „diesseitigen Ufer“ des Ozeans des Leidens befindet, und in ihm erwacht der Wunsch, an das „entgegengesetzte Ufer“ zu den Buddhas und Bodhisattvas zu gelangen.
Verwirklicht er dann durch die Praxis der Versenkung das „Prajna der Versenkung“ (contemplative prajna), so erkennt er, dass er am Außen, am falschen Selbst, als einer Illusion, anhaftet. Er beginnt dann „nach Hause“ zu streben, zu seinem wahren Selbst, also zur Buddha-Natur. Der Praktizierende wird gewahr, dass er nicht vom diesseitigen zum jenseitigen Ufer gelangen, sondern zum „diesseitigen Ufer“ zurückkehren muss, zur eigenen Natur.
Wer schließlich das „Prajna des wahren Merkmals“ (real mark prajna) verwirklicht hat, der nimmt wahr, dass es kein „diesseitiges Ufer“ und kein „jenseitiges Ufer“ gibt. Da ist kein „dieses“ oder „jenes“, sondern alles, gleich wie wir es nennen, ist „so“.
Praktiziert eifrig und ernsthaft! Dann könnt ihr, indem ihr euch auf das Prajna des Wortes und das Prajna der Kontemplation stützt, die höchste Weisheit, das Prajna des wahren Merkmals, verwirklichen.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
^TOP

Die drei Siegel des buddhistischen Dharmas
Die ganze buddhistische Lehre mit ihren 84.000 Sutras wird in den „drei Siegeln“ zusammengefasst: Alles ist Leiden; alle Dinge sind ohne Selbst; Nirvana ist die Stille der Glückseligkeit. Was bedeutet dies?
Wir fühlenden Wesen lassen immerzu gut und schlecht entstehen. Dann folgen wir unseren Begierden, um Gutes zu ergreifen und vor Schlechtem wegzulaufen. Dadurch ist unser Geist in alle Richtungen zerstreut. Erst wenn wir erkennen, dass alles Leiden ist, ist es nicht mehr nötig, nach hier und dort zu jagen. Das wird „Siegel des Leidens“ genannt.
Ebenso haben alle fühlenden Wesen ein großes Ego, an dem sie sich festklammern. Dann lassen wir Gedanken entstehen wie: „Mein Besitz! Meine Familie!“, und wir kämpfen mit anderen. Tatsächlich aber gibt es kein solches „Selbst“. „Selbst“ ist nur eine Vorstellung, ein Begriff, ein Konzept. Alles besteht nur begrenzte Zeit und unterliegt ständigem Wandel. Wir kommen und gehen mit leeren Händen. Weder in unserem Körper, noch in dem, was wir „Geist“ nennen, ist ein festes „Selbst“ zu finden. Das wird das „Siegel des Nicht-Selbst“ bezeichnet.
Erkennen wir durch unsere Praxis klar, dass alles Leiden ist, und dass in allen Dingen kein Selbst ist, dann zerstreut sich unser Geist nicht mehr nach hier und dort. Dann erscheint, ganz natürlich und von selbst, der reine und klare Geist. Dazu gibt es keinen anderen Weg als durch intensive Koan-Praxis alle Anhaftungen, sei es an gut oder schlecht, an den Körper oder an den Besitz abzuschneiden.
Durch die Praxis kannst du am Ende erkennen, dass alle Erscheinungen dein Geist sind und dein Geist alle Erscheinungen, und dass selbst „Geist“ und „Erscheinungen“ nichts als Namen sind. Dann ist Berg einfach Berg und Geist einfach Geist. So seinen reinen und klaren Geist zu sehen und zu halten ist Nirvana. Das wird „Siegel der Seligkeit des Nirvana“ genannt.
Ich hoffe also, ihr Praktizierenden, dass ihr immerzu die Frage haltet: „Woher kommt das Leiden? Wer ist es, der 'Selbst' entstehen lässt?“ und so durch intensive Praxis die Siegel des buddhischen Dharma verwirklicht.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do

Der Kern des Lebens
Was ist der Kern unseres Lebens? Der Kern des menschlichen Lebens ist unser Geist. Aber was ist „Geist"? Wo ist dieser „Geist"?
Manche Menschen antworten: „Mein Geist ist hier." Ist dann etwas, das wir dort drüben sehen, nicht unser Geist?
Andere antworten: „Mein Geist ist genau jetzt." Nur jetzt? Ist die Vergangenheit oder die Zukunft nicht unser Geist?
Weil wir nicht wissen, was unser Geist ist, können wir nicht wirklich zur Ruhe kommen. Wir mögen in der Außenwelt nach einem tieferen Sinn suchen, aber die Dinge, an die wir uns dabei klammern, sind allesamt vergänglich. Sie können uns keine dauerhafte Befriedigung [Genugtuung] verschaffen.
So kommt es, dass genau die Dinge, auf die wir uns stützen, selbst zur Quelle neuen Leidens werden. Und wenn wir uns dann bei unserer Suche nach Gewissheit im Leben anderen Dingen zuwenden, beginnen wir nur hier und dort umherzuirren. So können wir nicht verhindern, immer wieder in Zustände der Unsicherheit, der Angst und des Schmerzes zu geraten. Wir leiden und haben uns selbst verloren.
Woher kommt das Leiden in unserem Leben? Kommt es wirklich von Außen?
Buddha hat gesagt: „Alles Leiden kommt aus uns selbst, aus unserem eigenen Geist." Solange wir unseren Geist nicht kontrollieren können, erzeugen wir zwangsläufig immer wieder neues Leiden. Wie aber können wir unseren Geist kontrollieren? Hierfür müssen wir unseren Geist zu allererst einmal erkennen. Anstatt weiterhin ununterbrochen unseren Sinneswahrnehmungen zu folgen, sollten wir uns an dasjenige halten, das diese Sinneswahrnehmungen hat.
Wer ist es, der sieht, hört, riecht, schmeckt, fühlt und denkt?
Mit anderen Worten: Wer bin ich wirklich?
Haltet euch fortwährend an dieser Frage fest.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Befreiung von Leben und Tod
Das Schrecklichste in unserem Leben ist der Tod. Sich von Leben und Tod zu befreien ist deshalb die dringendste Aufgabe der Zen-Praktizierenden.
Vor etwa 2500 Jahren hat ein Prinz namens Siddharta Gautama sein königliches Zuhause verlassen, um sich nur noch der Suche nach der höchsten Wahrheit zu widmen. Im Alter von 35 Jahren verwirklichte er beim Anblick des Morgensterns das große Erwachen und verkündete: „Es ist wunderbar, dass allen Wesen die Buddha-Natur zueigen ist. Einzig aufgrund ihrer Anhaftung an verblendete Vorstellungen sind sie jedoch nicht imstande dies zu erkennen.“
Das große Erwachen ist nichts anderes als die Befreiung von allen Illusionen, die Befreiung von Leben und Tod. Und dahin gibt es keinen anderen Weg als den, sich selbst, seine eigene Natur zu schauen.
Was ist es, das da weiß, dass es lebt? Was ist es, das da weiß, dass es sterben muss?
Die Befreiung von Leben und Tod ist nichts, was „irgendwann einmal“ erreicht werden könnte.
Wann willst du sie verwirklichen, wenn nicht unmittelbar jetzt?
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do

Die vier Hindernisse auf dem Zen-Weg
Auf dem Zen-Weg treffen, und das ist der normale Lauf der Praxis, die Übenden auf vier Hindernisse.
Das erste Hindernis ist der Schmerz. Er ist das Hindernis des Anfängers, der stark an seinem physischen Körper anhaftet. Wenn dieses Hindernis durch stetes Üben gemeistert ist und der Praktizierende angenehm und leicht sitzen kann, stellt sich ein zweites ein: der Schlaf. Gleich wie sich der Praktizierende abmüht - er wird ständig schläfrig und kann nichts dagegen tun. Ist auch dieses Hindernis gemeistert, und ist der Praktizierende hellwach, sobald er sich nur auf das Kissen setzt, tritt das Hindernis des Nicht-Wissens auf. Auf dieser Stufe kommt der Praktizierende trotz aller Anstrengung mit seinem Koan nicht weiter. Er wälzt Bücher, sucht bei Dharma-Freunden nach Rat, ist aber völlig festgefahren und dadurch unzufrieden mit allem. Wenn ein Schüler auch dieses Hindernis überwindet und die Koans durchbricht, stößt er auf das Hindernis des Wissens. Aufgrund seiner Erleuchtung erschließt sich ihm alles sofort, auf alles hat er eine Antwort und freut sich darüber. Aber auch das ist ein Hindernis, noch größer als das vorige, und auch dieses muss überwunden werden.
Wie sollte ein Zen-Schüler mit diesen Hindernissen umgehen? Klammert euch nicht an den Schmerz, haftet nicht am Schlaf, und haltet nicht fest am Nicht-Wissen oder am Wissen! Stattdessen haltet immerzu die Frage: „Wer ist der Meister, der Schmerz erzeugt?“, „Was ist es, das schläfrig ist?“ „Was genau ist dasjenige, das nicht weiß?“ oder „Wer ist derjenige, der alles weiß?“. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
Wenn Ihr auf diese Weise fleißig übt, dann können alle diese Hindernisse überwunden werden und euer Geist wird so rein und klar wie ein heller Spiegel.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, Juni 2012
^TOP
Zen-Meister Huai-Yangs „Dem Pferd die Peitsche geben, nicht der Kutsche"
Vor langer Zeit lebte in China der große Zen-Meister und Siebte Patriarch Nam-Ak Huai-Yang. Einer seiner Schüler, Ma-Jo, übte Tag und Nacht sehr intensiv und ernsthaft Zen im Sitzen.
Eines Tages begab sich Zen-Meister Nam-Ak Huai-Yang zu ihm und fragte: „Warum sitzt du Tag und Nacht?“ Der Schüler Ma-Jo antwortete: „Ich möchte ein Buddha werden!“ Am Abend des nächsten Tages nahm der Zen-Meister einen Dachziegel, setzte sich in der Nähe von Ma-Jo nieder und begann den Ziegel an einem Wetzstein zu schleifen. Ma-Jo, der vertieft in der Meditation dasaß, rief, als er nach einer Weile das laute Geräusch nicht mehr ertragen konnte: „Ehrwürdiger Zen-Meister, was tut Ihr da?“ Der Zen-Meister antwortete: „Ich schleife einen Dachziegel. Ich will daraus einen Spiegel machen.“ Da brach der Schüler Ma-Jo in Lachen aus und sagte: „Aber, Meister, ich habe noch nie von jemandem gehört, der durch Schleifen eines Ziegels einen Spiegel gemacht hätte!“ Da schimpfte Zen-Meister Nam-Ak Huai-Yang ihn augenblicklich heftig aus: „Und ich habe noch nie von jemandem gehört, der durch bloßes Sitzen zum Buddha geworden wäre.“
Ma-Jo erkannte, dass er auf einem falschen Weg war, machte Niederwerfungen vor dem Zen-Meister und bat um Belehrung. Da sagte Nam-Ak Huai-Yang: „Wenn die Kutsche nicht weiterkommt, gibst du die Peitsche dem Pferd oder dem Wagen?” “Dem Pferd natürlich!”, antwortete Ma-Jo. Da sagte der Zen-Meister: „Genau so verhält es sich auch mit deiner Praxis. Du musst deinem Geist-Pferd die Peitsche geben und nicht der Körper-Kutsche!“ Fortan praktizierte Ma-Jo intensiv mit dem Koan und wurde später der große Achte Patriarch.
Ihr Praktizierenden, wenn ihr einfach nur auf dem Kissen sitzt und anderen Gedanken nachhängt, dann könnt ihr hundert Jahre praktizieren, ohne irgendetwas zu erreichen. Wenn ihr euch aber von Augenblick zu Augenblick auf die Koan-Frage: „Wer bin ich? Was ist dies?“ stützt und intensiv praktiziert, könnt ihr euer wahres Selbst erlangen.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, Juli 2014
^TOP
Was bedeutet „Zen-Übung"?
Ihr seid hierher gekommen, um Zen zu üben! Was aber bedeutet „Zen-Übung“?
Die Übung des Zen bedeutet zuerst, diesen verworrenen, lärmenden, bewegten Geist anzuhalten und langsam zur Ruhe zu bringen. Und dann, wenn der Geist still geworden ist, Innenschau zu halten, also den Blick zurück, in den eigenen Geist hinein zu lenken.
Wie können wir dies aber erreichen? Indem wir uns auf das Kissen setzen, eine bequeme und stabile Haltung einnehmen, uns auf einen Punkt konzentrieren und uns bemühen, alle anderen Gedanken loszulassen. Und dann sollten wir die tiefgründige Frage aufrecht erhalten: „Wer bin ich?“, „Was ist dies, das hier so sitzt?“, „Woher bin ich gekommen, als ich geboren wurde? Wohin werde ich gehen, wenn ich sterbe?“.
Wenn wir mit Ausdauer und Hingabe so praktizieren, verziehen sich die komplizierten und verwickelten Gedanken allmählich wie Nebelschwaden, und Stille, Klarheit und Helligkeit stellen sich ein. Dann wird ganz natürlich das wahre Selbst, das der Mensch verloren hat, langsam sichtbar.
Weil wir unser wahres Selbst verloren haben, leiden wir: Wir wissen nicht, wer wir sind und was unser Leben ist, wir sind oftmals traurig oder ängstlich. Wenn unser wahres Selbst sichtbar wird, wird der Geist so ruhig wie der weite Ozean, der in einer windstillen Nacht den hellen Mond am Himmel und das gesamte Universum widerspiegelt. Dann versteht ihr plötzlich: Das ganze Universum ist nicht von euch getrennt. Die ganze Welt ist klar, wenn euer Geist klar ist; die ganze Welt ist verworren, wenn euer Geist sich verdunkelt.
Also, ihr Praktizierenden, wenn ihr ein gutes und glückliches Leben führen wollt, solltet ihr ganz einfach bemüht sein, euren Geist immer rein und klar zu halten. Aber dies ist nicht leicht, sondern erfordert großen Eifer und große Entschlossenheit. Deshalb heißt es, die Übung des Zen sei zugleich sehr einfach und sehr schwierig.
Wer bin ich? Was ist dies? Ich hoffe, ihr haltet mit großer Kraft und Ausdauer diese Frage und erleuchtet sie - für euch und für alle Fühlenden Wesen!
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, März 2015
^TOP
Leg auch die Stille nieder
Ein bedeutender Zen-Meister sagte: „Das Alltagsleben ist Zen.“ Was bedeutet dies? Wie kann der Alltag Zen sein? Ein wahrer Zen-Praktizierender sollte nicht nur auf dem Kissen „Zen im Sitzen“ praktizieren, sondern auch wenn er geht oder arbeitet „Zen in der Bewegung“; und wenn er sich zu Bett legt, sollte er „Zen im Liegen“ praktizieren.
Dabei gibt es zwei Arten von Praxis: Muk Jo Seon (jap. Soto-Zen) und Gong An Seon (jap. Koan-Zen). Im Muk Jo Seon (aus kor. „muk“ still und „jo“ hell) versucht der Praktizierende in der Sitzpraxis, alle Gedanken loszulassen und tiefe Stille und strahlende Helligkeit zu erreichen. Und in der Bewegung und im Liegen bemüht er sich, diese Stille und Helligkeit durch die Praxisenergie aufrecht zu erhalten. Im Gong An Seon hingegen strebt der Schüler unablässig danach, die eine Frage „Was ist dies?“ (oder „Wer bin ich? Wer ist dies?“) zu halten und so alle anderen Gedanken abzuschneiden - sei es beim Sitzen auf dem Kissen, in der Bewegung oder im Liegen.
Im Muk Jo Seon wird schon das Erreichen tiefer Stille und Helligkeit als Erleuchtung angesehen, im Gong An Seon bleibt jedoch mit der einen Frage immer eine letzte Hausaufgabe offen. Erst durch das Durchbrechen der Koan-Frage verwirklicht man Erleuchtung.
Wenn du ein wahrer Praktizierender bist, versuchst du beständig, dein Koan zu halten und alle anderen Gedanken loszulassen. Weilst du aber in irgendwelchen Zuständen oder Vorstellungen, erschaffst du ein Objekt, das dir als Subjekt gegenübersteht. Dann verlierst du dein Koan und verstrickst dich in die illusionäre Welt der Dualität.
Wenn du also dein Koan richtig hältst, gibt es da weder „Berg“ noch „Wasser“, weder „Helligkeit“ noch „Stille“. Dann kannst du, wenn dir jemand von Stille und Helligkeit spricht, in großer Freiheit erwidern: „Wenn dir 'Stille' gefällt, dann genieße sie, wenn dir der Name 'Helligkeit' gefällt, dann benutze ihn!“
Ich hoffe, ihr praktiziert fleißig und gebraucht mit Eifer euer Koan-Schwert, um die Hürde des Lebens zu nehmen, während ihr voranschreitet, ohne an irgendetwas anzuhaften, und sei es „Stille“ und „Helligkeit“.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, Juni 2015
^TOP

Alles ist der Buddha-Weg
Was ist der Buddha-Weg? Die Antwort eines berühmten Zen-Meisters auf diese Frage ist: Alles ist der Buddha-Weg. Wie sollen wir das verstehen? Es gibt Menschen, die ununterbrochen ihre alltägliche Wirklichkeit nach ihrem wahren Wesen befragen: Was ist diese Tasse? Was ist dieser Stuhl? Was ist dieses Licht? usw.
Sicher ist, dass mit dieser Art des Befragens von allem und jedem das absolute Wesen des Universums nicht verstanden werden kann. Also ist kein bestimmtes Ding der Buddha-Weg. Also ist nichts der Buddha-Weg. Ist das richtig?
Was ist der Buddha-Weg? Diese Frage ist identisch mit der Frage: Was sollen wir mit unserem Leben tun? Oder: Warum leben wir? Alle Fragen nach dem Sinn unseres Daseins und dem Sinn des Universums können in einer einzigen Frage zusammengefasst werden: Wer ist es, der diese Fragen stellt? Wer bin ich?
Es ist von absoluter Wichtigkeit, diese Frage richtig zu stellen. Es ist keine Frage, die mit Worten beantwortet werden kann. Sie kann sogar überhaupt nicht beantwortet werden. Die Frage selbst besteht letztlich nicht aus Worten. Die Worte dienen nur dazu, unserem Geist eine Richtung zu geben, die Richtung auf sich selbst. Gelingt es uns, diese Frage und damit diese Richtung zu halten, so wird die Frage in einer Gewissheit zerbersten.
Im Diamant-Sutra heißt es: der vergangene Geist kann nicht ergriffen werden, noch kann der gegenwärtige Geist ergriffen werden, noch kann der zukünftige Geist ergriffen werden. Dieser Geist erschafft die Welt. Es gibt keinen Ort, an dem er nicht ist. Alles ist der Buddha-Weg.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
^TOP

Kehre zu deinem Geist zurück - genau hier und jetzt
Im zweiten Kapitel des Diamant-Sutras lehrt der Buddha, dass ein Praktizierender „so“ weilen und „so“ seinen Geist bezwingen sollte. Was bedeutet dies?
Der Buddha-Geist ist „so“. „So“ bedeutet „genau so, wie es ist“. Somit verweist dieses „so“ auf deinen Geist genau hier und genau jetzt. Wenn gewöhnliche Menschen diese Erklärung hören, dann lassen sie sofort Gedanken an „hier und jetzt“ entstehen und haften diesen an, wie „Ah, es geht also um genau jetzt und genau hier“. Auf diese Weise entfernen sie sich jedoch vom „So-Geist“. Ein wahrer Praktizierender aber sollte sofort dasjenige sehen, das „hier und jetzt“ entstehen lässt.
Wenn du dich bemühst, immer wieder zu deinem „Genau-hier-und-genau-jetzt-Geist“ zurückzukehren, kannst du die unzähligen Illusionen deines Geistes deutlich sehen und sie entfernen. Dazu aber gibt es keinen anderen Weg, als dich auf die Lehre des Buddha und der Zen-Meister zu stützen und dein Koan von Augenblick zu Augenblick zu halten. Tust du dies, so verschwinden deine Gedanken nach und nach und dein Geist kommt zur Ruhe. Ist dein Geist still und klar geworden, dann kannst du selbst den kleinsten Gedanken, der sich dir nähert, sehen und ihn sofort erleuchten. Wenn dein Geist rein und klar wie ein Spiegel geworden ist, kannst du erkennen, dass du und das Universum vollkommen eins sind. Aber auch dieses „eins“ ist nur ein Hilfsmittel, das du wegwerfen solltest.
Kehrst du aber nicht immer wieder zu deinem „Genau-hier-und-genau-jetzt-Geist“ zurück, sondern haftest stattdessen immerzu an Situationen und Beziehungen an, so verstrickst du dich immer mehr in die Illusionen deines eigenen Geistes, wirst immer verwirrter und leidest. Denn diese ganzen Situationen und Beziehungen sind nichts anderes als Illusionen deines Geistes, die keine eigene Wirklichkeit haben.
Ihr Praktizierenden, schneidet also alle anderen Gedanken ab und kehrt zu eurem „Genau-hier-und-genau-jetzt-Geist“ zurück! Was ist dies?
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, Juli 2015
^TOP

Die zwei Schritte der Gong-an-Seon-Praxis
Die Zen-Praxis ist sehr einfach! Und doch erscheint sie den Praktizierenden so schwierig. Warum? Weil es ihnen so schwer fällt, ihren Geist leer zu machen, das heißt, alle Anhaftungen loszulassen. Was bedeutet dies?
In der Schule des Gongan Seon (jap. Koan-Zen) ist die fortwährende Übung mit dem Haupt-Koan „Was ist dies?“ von größter Wichtigkeit. Doch für eine weltliche Person, die ständig an ihre Geschäfte oder an ihre privaten Beziehungen denkt, ist es unmöglich, sofort mit der Koan-Praxis zu beginnen.
Deshalb gilt es zunächst, alles loszulassen, alles niederzulegen (Sanskrit: upeksha). Das Mittel hierzu ist die Sitz-Praxis, und deshalb ist ihre Bedeutung so groß. Indem wir unbewegt und stabil die Lotus-Position einnehmen und unseren Atem kontrollieren, können wir die Anhaftung an den eigenen Körper überwinden. Doch wir müssen auch die Wurzel des Körpers, die sechs Sinnesorgane, zur Ruhe bringen. Hierzu ist es besonders wichtig, die Augen unbewegt auf einen Punkt zu fokussieren und dabei alle anderen Gedanken abzuschneiden. So können wir einen sehr stillen, hellen und freudvollen Zustand der Konzentration erreichen.
Dann, wenn dein Geist durch diese Übung des „Lass-es-los!“ reiner und klarer geworden ist, kannst du in rechter Weise die große Frage „Was ist dies?“ halten, um deine wahre Natur zu sehen, um Erleuchtung zu erlangen.
Daher, Ihr Praktizierenden: Übt die Sitz-Praxis mit großem Glauben und mit großer Entschlossenheit! Sitzt voll und ganz und lasst alles los! Und dann haltet mit Ernst und Ausdauer das Koan, ob ihr nun sitzt, euch bewegt, oder euch niederlegt. Und so geht immerzu weiter, für zehntausend Jahre!
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, August 2015
^TOP

Bring mir sogar die Kuh, auf der du reitest
Die Zen-Praxis ist eine Form religiöser Praxis! Sie ist die Essenz der buddhistischen Religionsausübung, nach Ansicht mancher Gelehrter sogar die Essenz aller Religion. Daher sollten wir, wenn wir uns auf unserem Sitzkissen niederlassen, dies mit großer Hingabe tun. Die rechte Haltung unseres Körpers, die Kontrolle unseres Atems, das Niederlegen unserer Gedanken und schließlich die Suche nach der eigenen Natur, all dies verdient große Sorgfalt und Achtsamkeit.
Es wird gesagt, die Zen-Praxis sei sehr einfach und doch sehr schwierig. Sie ist sehr einfach, denn es geht nur darum, sich auf ein Kissen zu setzen, den Blick nach unten zu richten, Innenschau zu halten und, indem man sein Koan hält, nach seiner wahren Natur zu suchen. Wenn man so praktiziert, kann man immer, wenn man sich verwirrt, ängstlich oder traurig fühlt, zur Praxis zurückkehren und einen ruhigen und friedvollen Geist erlangen. Diese Übung kann man pflegen, wo immer man sich befindet, sei es im Hochgebirge oder im Getümmel eines Marktplatzes. Ist das nicht eine wundervoll einfache Art der Religionsausübung?
Schwierig ist die Zen-Praxis aber, weil es uns an Glauben und an Praxis-Energie fehlt. Wir vertrauen nicht genügend darauf, dass wir uns in allen Situationen auf unsere eigene reine und klare Natur stützen können und wir lassen uns von diesen und jenen Vergnügungen ablenken, statt uns mit ganzem Herzen der Praxis zu widmen. Daher kommen wir in den Zen-Tempel, um mit anderen zusammen unter der Anleitung des Zen-Meisters zu üben und so unsere Praxis-Energie zu steigern. Durch diese Samadhi-Energie wird auch unser Leben dann einfacher und glücklicher.
Es ist auch nicht leicht, seine wahre Natur zu sehen, es ist sogar unmöglich, wenn man nicht intensiv Zen im Sitzen übt. Nur wer sich der Zen-Praxis mit großer Hingabe widmet und kontinuierlich seine Sitzpraxis vertieft, der kann, so bestätigen es alle Pioniere des Weges, große Praxis-Energie erlangen und seine wahre Natur sehen. Viele Menschen im Laufe der Geschichte haben dies beherzigt und so Erleuchtung erlangt und ein glückliches Leben geführt.
Ich möchte euch eine wahre Begebenheit erzählen, die mir mein Meister, der große Zen-Meister Hae Am, erzählt hat, und die sich vor etwa 100 Jahren ereignet hat.
In Korea kommen die Mönche zweimal im Jahr zu einer dreimonatigen intensiven Praxis zusammen, in der sie den Tempel nicht verlassen. Wenn eine solche Praxis von einem großen Zen-Meister geleitet wird, dann strömen die besten und eifrigsten Mönche zu diesem Mönchskloster zusammen.
Am Fuße des mächtigen Berges Ji-ri-san befindet sich das große Kloster Cheon-eun-sa, und oberhalb dessen, auf halbem Wege zum Gipfel des Berges, die zugehörige Einsiedelei Sam-il-am. Die Winter-Intensivpraxis im Sam-il-am-Tempel sollte nun von dem sehr berühmten Zen-Meister Seong Wol geleitet werden. Die Anmeldelisten für die 50 Plätze, die zur Verfügung standen, mussten schon einen Monat vor Beginn der Praxis geschlossen werden, da sich viele große Mönche eingefunden hatten, die mit reinem Geist und großer Entschlossenheit praktizieren wollten.
Sie hatten bereits alles vorbereitet und den Tagesablauf genau festgelegt, als einen Tag vor Beginn der Praxis ein Mönch von über 70 Jahren namens Ho Eun erschien und ebenfalls unbedingt teilnehmen wollte. Die Teilnehmer waren empört, denn nicht nur war kein Platz mehr frei, sondern der alte Mönch konnte auch nicht die nötige Vorerfahrung für eine so harte, besondere Praxis belegen. Allerdings lag es so, dass der alte Mönch niemand anderes war als der Abt des Haupt-Tempels Cheon-eun-sa vom Fuße des Berges, und dass er sich trotz des Protestes der Mönche nicht von seinem Wunsch abbringen ließ. Er sagte: „Wenn kein Platz mehr für mich ist, macht das nichts! Ich sitze auch gerne vor der Tür im Korridor. Dann störe ich die anderen auch weniger, denn ich muss immer mal wieder die Einsiedelei verlassen. Schließlich muss ich meinen Geschäften als Abt nachgehen und auch ab und an nach meiner Familie sehen“. Damals nämlich gab es in Korea unter japanischem Einfluss auch verheiratete Mönche.
Wegen dieser Sonderwünsche waren die anderen Mönche noch aufgebrachter, aber Zen-Meister Seong Wol hörte von dem Streit und entschied, dass dem Abt die Teilnahme erlaubt werden solle. So kam es, dass der alte Mönch mit den anderen praktizierte, aber an so manchem Tag abends die
Einsiedelei verließ, um im frühen Morgengrauen, nach einem langen Aufstieg in bitterer Kälte mit im Bart klirrenden Eiszapfen, wieder zur Praxis dazu zu stoßen.
Nach eineinhalb Monaten, nach der Dharma-Rede des Zen-Meisters zur Mitte der Intensivpraxis, durften die Praktizierenden untereinander über den Dharma sprechen und Fragen stellen. Der spätere Zen-Meister Hae Am, der damals ein junger Mönch war, nutzte die Gelegenheit und fragte Zen-Meister Seong Wol: „Ehrwürdiger Zen-Meister! Als ich unter Zen-Meister Hae Wol praktizierte, erschien dort eines Tages ein Wandermönch und sagte zum Zen-Meister: 'Es gibt in der Zen-Schule eine Redensart, die da heißt, auf einer Kuh reiten und dabei nach einer Kuh suchen. Was bedeutet dies?'. Da antwortete ihm Zen-Meister Hae Wol: 'Du treibst dich herum und stellst unnütze Fragen'. Seitdem ich dieses Dharma-Zwiegespräch mit angehört habe, frage ich mich, was diese Redensart bedeutet, und ob es richtig von Zen-Meister Hae Wol war, den Wandermönch auf diese Weise wegzujagen. Bitte belehrt mich!“.
Da forderte Zen-Meister Seong Wol den jungen Mönch auf, ihm die Frage genauso zu stellen, wie es damals in dem anderen Tempel geschehen war. Hae Am zog seine Robe an, machte Niederwerfungen und fragte in aller Form: „Ehrwürdiger Zen-Meister, was bedeutet es, auf einer Kuh reitend nach einer Kuh zu suchen?“ Zen-Meister Seong Wol antwortete: „Gib die Kuh auf, nach der du suchst, und bringe mir sogar die Kuh, auf der du reitest!“
Alle anwesenden Mönche waren sehr überrascht und sahen sich ratlos an. Da rief der alte Mönch laut: „Ich weiß! Jetzt weiß ich es! Niemand hier weiß es, nur ich weiß es!“, und tanzte dabei herum. Niemand von den Praktizierenden nahm ihn ernst, aber Zen-Meister Seong Wol rief ihn zu sich und prüfte ihn. Der alte Mönch konnte alle Koan-Fragen des Zen-Meisters vollkommen richtig beantworten. So gab Zen-Meister Seong Wol vor den anderen bekannt, dass der Abt Erleuchtung verwirklicht habe.
Daraufhin verfasste der Alte sein Erleuchtungsgedicht:
Beim Klang der Worte „Bring mir die Kuh auf der du reitest!“,
wurde ich plötzlich gewahr, dass das ganze Universum mein Zuhause ist.
Auf dem Gipfel des Weisheits-Berges, ohne Zunahme oder Verringerung,
singe ich, ganz frei kommend und gehend, ein friedvolles Lied.
Weinend dankte der alte Mönch Zen-Meister Seong Wol: „Sie haben mich gerettet. Nur weil ich einen so großen Zen-Meister getroffen habe, konnte ich die Erleuchtung verwirklichen. Dadurch habe ich mich endlich von meinem schweren Karma befreien können!“
Der alte Mönch legte dann seine Abtswürde nieder, sorgte für seine Familie und wurde danach zum Lehrer des großen Tempels Maha-yeum im Geum-gang-san (in den Diamantbergen), im heutigen Nordkorea, berufen.
Wenn ihr mit großem Glauben intensiv übt, könnt ihr euer Karma zum Schmelzen bringen und schließlich euer Leben retten. Haftet also nicht an weltlichen, vergänglichen Dingen! Bemüht euch wahrhaftig und gebt euer Bestes!
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, März 2016
^TOP

Lege auch die guten Gedanken nieder
Als der große koreanische Zen-Meister Wonhyo lehrte, ein Praktizierender dürfe keine guten Gedanken entstehen lassen, wurde er daraufhin von einem Schüler gefragt, ob er denn nun üble Gedanken entstehen lassen solle. Das ist sehr töricht! Selbstverständlich sollte man in seinem Geist keine bösen Gedanken erzeugen. Das lehren alle Heiligen und Weisen.
Aber ein wahrer Praktizierender sollte sich auch nicht an hochstehende Ideale wie etwa „liebender Geist“ oder „große Güte“ klammern. Er sollte positive und negative Gedanken in seinem Geist gleichzeitig hinter sich lassen. So heißt es denn auch in Kapitel 5 des Diamant-Sutras, dass alles, was Merkmale hat, vergänglich ist - und also eine Illusion, die du am Ende aufgeben solltest.
Das bedeutet: Sogar den höchsten Dharma, die Lehre des Buddha (Buddha-Dharma), solltest du überwinden! Manche, die das hören, beginnen, die Lehre des Buddha geringzuschätzen oder schlecht über den Buddha zu sprechen. Aber das ist ein grobes Missverständnis! „Auch den Buddha-Dharma überwinden“ bedeutet, Erleuchtung zu erlangen. Denn wenn du Erleuchtung erlangst, so gibt es da nicht einmal mehr „den Buddha-Dharma“.
Wenn dich jemand fragt, „Hast du nach fünfzehn Jahren Praxis unter Zen-Meister Seong Do einen großartigen Dharma erlangt?“, dann solltest du, wenn du ein wahrer Praktizierender bist, antworten: „Wenn ich etwas erlangt hätte, wäre es eine große Illusion!“
Also, ihr Praktizierenden, versucht nicht, etwas zu erlangen! Lasst alles los und versucht, dasjenige zu sehen, das da erlangt und loslässt!
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, August 2015
^TOP

Zwei Wege buddhistischer Praxis
Es gibt viele Formen buddhistischer Praxis, wie das Studium der Sutras, das Rezitieren von Mantras, das Niederwerfungsgebet und so fort. All diesen Praxismethoden ist gemeinsam, dass sie helfen, den unruhigen Geist des Menschen klären, sodass er Frieden und Ruhe erlangt. Er kann dann sein Leben ohne Reibungen und Probleme meistern.
Auch zu diesem wichtigen Ziel können wir nur durch die Praxis gelangen, aber dennoch ist das noch nicht der eigentliche Buddha-Weg! Dieser besteht darin, durch das Abschneiden aller Gedanken seinen wahren Geist zu erlangen und so alles zu verstehen. Hierin liegt die Weisheit (Skt.: prajna), die beim ersten Weg fehlt. Gestützt auf diese Weisheit kann der Praktizierende dann sein Leben völlig klar und frei führen. Dies wird daher auch Befreiung (kor.: haetal) genannt. Es wird gelehrt, dass, wer die Befreiung erlangt, zum Lehrer aller Wesen, sogar der Himmelswesen, wird!
Um den wahren Buddha-Weg zu beschreiten, gilt es daher, sich von der Anhaftung an alle Gedanken vollständig zu lösen. Denn immer, in jeder Situation, sogar dann, wenn wir schlafen, haften wir an irgendetwas an und werden so fortwährend in verschiedene Geisteszustände gezogen, wie Müdigkeit, Traurigkeit oder Zorn. Die direkte Methode, sich aus dieser Anhaftung und der ständigen Verstrickung in diese Illusionen zu befreien, ist die Koan-Zen-Praxis, das beständige Halten der großen, auf unser eigenes Selbst gerichteten Koan-Frage „Was ist dies?“
Indem der Praktizierende schließlich in jeder Lage, nicht nur bei der Sitzpraxis auf dem Meditationskissen, sondern auch beim Gehen, Stehen oder Liegen, beim Arbeiten, Streiten oder Weinen beständig das Koan hält, kann er sein Selbst vollkommen beherrschen. Er ist dann wirklich völlig frei geworden, in jedem Augenblick zu entscheiden, ob er beispielsweise weiter streiten oder weinen will oder nicht.
Wenn ihr auf diese Weise Befreiung von all den Illusionen, in die ihr verstrickt seid, erlangen wollt, dann praktiziert intensiv und unermüdlich mit dem Koan.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
Berlin, Februar 2017
^TOP

Zen ist keine Theorie
Zen ist vollkommen anders als weltliche Philosophien. Im Zen geht es ganz praktisch darum, einen klaren und reinen Geist zu erlangen und so das Leiden zu beenden.
Eines Tages wurde der große Zen-Meister Majo, einer der Patriarchen des Zen in China, von einem Schüler gefragt: „Was ist Buddha?“ Der Zen-Meister antwortete: „Der Geist ist Buddha.“
Was aber ist dieser Geist? Der Buddha lehrte, der Geist sei der Ursprung des gesamten Universums. Alles entsteht oder vergeht durch den Geist. Daher ist dieser Geist so außerordentlich wichtig. Dennoch wissen wir nichts über ihn. Obwohl wir ihn jeden Tag benutzen, verstehen wir ihn nicht.
Im Sutra heißt es: „Wenn Denken erscheint, erscheint Dharma, wenn Dharma erscheint, erscheinen Formen, wenn Formen erscheinen, erscheint Leiden.“ Und dann: „Wenn Denken verschwindet, verschwindet auch Dharma, wenn Dharma verschwindet, verschwindet auch Form, wenn Form verschwindet, verschwindet auch das Leiden.“ Ganz einfach.
Was also ist das Problem? Das Problem ist das Denken. Wir müssen das Denken abschneiden. Wenn wir alle Gedanken niederlegen, können wir jeden Tag sehr glücklich leben. Nur aufgrund des Denkens fühlen wir uns jeden Tag leidend, sind bekümmert und manchmal traurig, manchmal wütend. Nicht wegen etwas außerhalb von uns oder wegen anderen - nur wegen unseres eigenen Denkens. Wenn wir unser Denken abschneiden, wird unser Geist klar und wir können frei und ohne Sorge leben.
Das Denken abzuschneiden, ist aber nicht einfach. Deshalb haben uns die Zen-Meister eine wichtige Frage gegeben: „Wer bin ich?“ oder „Was bin ich?“ Indem wir uns immerfort auf diese Frage stützen, verschwinden nach und nach die Traurigkeit, die Kümmernis oder die Wut und der reine, klare und helle Geist erscheint.
Wer auf diese Weise alle Gedanken überwindet, kann sein eigenes Selbst stabil halten, alle Schwierigkeiten überwinden und ein glückliches Leben führen.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
^TOP

Zen-Meister Ho Am's Gedicht
Im Buddhismus erkennt man die Wahrheit, indem man sein eigenes Selbst erleuchtet. Indem man seine wahre Natur sieht, versteht man die Geheimnisse der Natur, den Buddha und alle seine Lehren in rechter Weise.
Um sein wahres Selbst zu sehen, muss man nach innen schauen und dabei alle Anhaftung an äußere Zeichen und illusionäre Gedanken aufgeben. Dies ist aber sehr schwer, und deshalb haben die Zen-Meister den Praktizierenden die Frage „Wer bin ich? Was ist dies?“ als große Hilfe gegeben.
Von dem großen Zen-Meister Ho Am stammt dieses Gedicht:
Still sitzend in einem Bergtempel in tiefster Nacht,
Sind völlige Ruhe und Stille die ursprüngliche Natur.
Warum schüttelt der Westwind dann den Wald?
Ein einzelner Schrei der Kaltwetter-Gänse erfüllt den Himmel.
Die erste Zeile beschreibt eure Praxis. Ihr sitzt auf dem Kissen und gebt, auf das Koan gestützt, alle anderen Gedanken auf. Dann wird euer Geist klar und ruhig und ihr tretet ein in die Welt der Stille. Ihr verwirklicht, dass absolute Stille und Ruhe eure ursprüngliche Natur sind. Ist euer Geist in Ruhe, ist das ganze Universum in Ruhe. Lasst ihr aber illusionäre Gedanken entstehen, ist alles verworren und laut.
Trotzdem kommt da das Geräusch des Windes auf, der den Wald durcheinanderschüttelt. Wie kommt das? In der Stille deiner wahren Natur gibt es ja keine Klänge. Ein Praktizierender sollte wissen, woher dieses Geräusch des Windes kommt. In der zweiten Zeile wurde bereits alles gesagt. Sobald irgendetwas auftaucht, heißt das, du lässt Illusionen entstehen. Wenn ein Geräusch entsteht, sieht ein wahrer Praktizierender dies sofort und kehrt zu seinem Koan zurück. Nur wenn deine Praxis schwach ist, folgst du dem Geräusch und klammerst dich daran.
Die letzte Zeile beschreibt die vollkommene Freiheit von allem. Wenn du dich nicht an den Klängen festhältst, sind diese kein Problem. Die Klänge sind frei von dir und du bist frei von den Klängen. Nur wenn du ihnen anhaftest und ihnen folgst, ist es ein großes Problem.
Ihr Praktizierenden, klammert euch nicht an äußere Zeichen oder an eure Illusionen; stützt euch in der Praxis immer nur auf die eine Frage: „Wer bin ich? Was ist dies?“ Diese Frage hat die Kraft, euch von Leben und Tod zu erretten.
Aus einer Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do
|
|