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Dharma-Reden
des Ehrw. Zen-Meisters
Dharma-Rede in der Evangelischen Akademie Bad Boll
Vesag-Fest 2543
Über das Herz-Sutra

16. November 2002
Dharma-Rede anlässlich der Tagung „Gewalt und ihre Überwindung im Buddhismus und im Christentum"
Evangelische Akademie Bad Boll

Dharma-Rede des Ehrw. Zen-Meisters Young San Seong Do



Guten Abend.

Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihre Einladung zu dieser großartigen Tagung.
Ich bin nur ein einfacher praktizierender buddhistischer Mönch aus Korea.
Ich heiße Young San Seong Do.

Angesichts der ernsten Krise, der unser schönes „globales Dorf" durch den sittlichen Verfall und die religiösen Spannungen der Menschheit ausgesetzt ist, haben einige weitsichtige religiöse Verantwortungsträger dieses Dialogtreffen ausgerichtet, weil sie die dringende Notwendigkeit eines Austauschs, der die Trennmauern zwischen den Religionen überschreitet, erkannt haben. Mit Blick auf ihre großartige Anstrengung möchte dieser geringe Mönch die Veranstalter noch einmal aus ganzem Herzen loben.

Ich nehme an, dass Sie mich eingeladen haben, um von einem buddhistischen Mönch aus erster Hand zu erfahren, wie Buddhisten Gewalt und Feindseligkeiten zu überwinden versuchen. Bevor ich beginne, möchte ich um Ihr nachsichtiges Einverständnis dafür bitten, dass ich zahlreiche Aussprüche des Buddha zitieren werde.

Vor 2500 Jahren hat Shakyamuni Buddha erklärt: „Diese Welt wird Sabha genannt". „Sabha" bedeutet hier diese arme Welt, in der niemand leben kann, ohne Leiden erdulden zu müssen. Und von all diesen Qualen gibt es nicht weniger als 84.000 Arten, die unaufhörlich den Geist der fühlenden Wesen heimsuchen. Von daher können wir leicht zu der Annahme gelangen, dass all die heutigen Formen von Gewalt und Aggression keineswegs neu, sondern nur ein kleiner Bruchteil der 84.000 Arten des Leidens sind. Warum aber sind alle Wesen dazu bestimmt, durch solche Nöte hindurch zu müssen?

Im Sutra heißt es: „Die Ursache liegt im Karma ihrer Vergangenheit - sei es gut oder schlecht" und im Alten Testament, im Buch Genesis, wird gesagt, dass alles Elend der Menschen in der Erbsünde Adams und Evas wurzelt, die wegen ihrer Neugierde Gottes Wort verletzt haben. Man kann das glauben oder nicht, Tatsache ist, dass wir, alle Menschen, ständig die Erfahrung unaufhörlicher Leiden machen.

Wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen, so sind wir einer Meinung, dass die grässlichste Gewalttat gegen einen Menschen darin lag, Jesus Christus ans Kreuz zu schlagen und ihn mit vielen groben Nägeln zu durchbohren. Ich bin überzeugt, dass die Kreuzigung die grausamste Form von Gewalt in der Geschichte der Menschheit gewesen sein muss. Und dennoch - wie Sie gut wissen - wie hat Jesus hierauf reagiert? Betete er nicht nur still: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."?

Das Kreuz nehmen, den eigenen Schmerz erdulden und seinen Verfolgern zu vergeben, das war die Lehre Christi - Ich denke, dass wir als religiöse Menschen seine Lehre nie vergessen sollten.

Auch Shakyamuni Buddha war so. Vor 2500 Jahren, als sein väterliches Königreich Gapira einer Invasion ausgesetzt war und seine eigene Sippe, die der Shakya, an der Schwelle des Untergangs stand, erschien Maudgalyayana vor ihm, ein Schüler mit übernatürlichen Kräften und wandte sich an ihn: „Wenn es mir erlaubt würde, meine übernatürlichen Kräfte einzusetzen, um die Eindringlinge zurückzuschlagen, könnte ich die gesamte Shakya-Sippe retten." Da lehrte Buddha mit ruhiger Stimme nur: „Maudgalyayana, verkenne nicht den wahren Dharma, indem du solch weltliche Zauberei pflegst. Im Gegenteil, halte deinen Geist friedvoll und trete still ins Samadhi ein". Und auch Buddha trat ruhig in das unerschütterte Samadhi - den ruhigen, friedvollen und unbewegten Geist - ein.

Nachdem wir nun die Schritte dieser beiden großen Heiligen verfolgt haben, können wir klar erkennen, dass es das Wesen ihrer Lehre ist, die Reinheit des eigenen Herzens dabei zu bewahren, seine Schwierigkeiten in allen Arten von Bedrängnis zu meistern. Das bedeutet:

Die Reinheit des Herzens zu bewahren ist der beste Weg, alle Gewalt zu überwinden.

Im Neuen Testament heißt es im Matthäus-Evangelium, Kapitel 5, Vers 8: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen". Das heißt, dass diejenigen, die reinen Herzens sind, in das Himmelreich gelangen und bei Gott wohnen können.

Auch im Sutra wird gesagt: „Die Reinheit des Geistes ist besser als Sieben-Juwelen-Stupas zu errichten, so zahllos wie die Sandkörner des Ganges. Warum? Weil die Sieben-Juwelen-Stupas am Ende zu Staub zerfallen werden, während die Reinheit des Geistes Erleuchtung hervorbringt."

Wie wir aus dem Leben der beiden Heiligen erkannt haben, kann uns die Reinheit des Geistes dazu verhelfen, alle Hindernisse, wie Gewalttätigkeit oder Feindseligkeit, zu überwinden. Wichtiger aber ist, dass „die Reinheit des Geistes selbst" in der Bibel „Himmelreich" genannt und auch im Sutra „die Reinheit des Geistes selbst" als „Erleuchtung oder Buddha" bezeichnet wird.

Ich bin sicher: Wenn nur alle Menschen die Reinheit des Geistes erreichen und andauernd bewahren könnten, würde alle Gewalttätigkeit aus diesem globalen Dorf für immer verschwinden und es könnte ein "ewiger Weltfrieden" erreicht werden.

An dieser Stelle möchte ich Sie in die Zen-Praxis einführen. Das Wesen der Zen-Praxis ist, die „Reinheit des Geistes" zu erreichen und zu bewahren.

Zen ist die höchste Form buddhistischer Praxis, und Zen ist eine Übung, um den eigenen Geist unmittelbar zu sehen und alle Verblendung zu beseitigen. Unreiner Geist bedeutet der verblendete Geist, der besessen ist von allen möglichen gedanklichen Vorstellungen oder den 84.000 Leidenschaften. Dies wird auch der Geist der fühlenden Wesen genannt. Der reine Geist hingegen wird als „Erleuchtung" oder „seliges Paradies" bezeichnet. Wessen Geist ist dann also dieser unreine Geist der fühlenden Wesen, und wo ist er jetzt? Und der reine Geist Buddhas, wessen Geist ist er und wo befindet er sich jetzt? Der unreine Geist und der reine Geist sind zusammen in klarer Weise jetzt, hier, unmittelbar vor uns. Das heißt, die beiden Arten des Geistes sind ursprünglich eins, nämlich mein eigener Geist. Und doch ist es für uns nicht leicht, unseren eigenen Geist, der genau jetzt, hier, gerade vor uns erscheint, zu sehen.

Wie sehr wir uns auch bemühen, unseren Geist von den 84.000 Leidenschaften zu reinigen, so wird dies unmöglich bleiben, so lange wir unseren Geist nicht unmittelbar sehen. Denn ohne unseren Geist zu sehen, können wir nicht verstehen, ob unser Geist rein oder unrein ist. Aus diesem Grund möchte dieser Mönch allen Gläubigen die Praxis des Zen im Sitzen empfehlen. Wie gesagt, Zen im Sitzen ist eine Übung, seinen Geist unmittelbar zu sehen. Die Praxis des Zen im Sitzen stört das religiöse Leben des Übenden nie, also besteht kein Grund, sie als tabu anzusehen. Tatsächlich ist es ziemlich einfach, Zen im Sitzen zu praktizieren, wenn Sie nur einmal meiner Anleitung folgen und lernen, wie man still sitzt.

Ungeachtet der jeweiligen Religionszugehörigkeit kann durch Zen im Sitzen unser spirituelles Leben kraftvoller werden, wir können unsere Gesundheit stärken, unseren Geist klären und unser Verständnis der religiösen Lehren und Texte vertiefen.

Ich unterweise nicht in der Zen-Praxis, um Menschen anderen Bekenntnisses zum Buddhismus zu bekehren. Ich halte es auch gar nicht für gesund, wenn Menschen den eigenen Glauben plötzlich aufgeben und zur Religion von anderen übertreten. Warum nicht? Weil es auch mit dem Karma der eigenen Vergangenheit zusammenhängt, einen religiösen Glauben zu haben.

Als wahrhaft frommer Gläubiger sollte man sich in das religiöse Leben anderer nicht einmischen oder den Glauben anderer im Interesse seiner eigenen Religion verwirren; dies würde dem, was Religion eigentlich bedeutet, widersprechen. Denjenigen aber, die noch keine Religion haben, rate ich wirklich, sich einer Religion anzuschließen, die zu ihrem Lebensstil passt. Vielleicht fragen mich nun einige von Ihnen, warum ich dann in Europa lebe und hier einen buddhistischen Tempel gegründet habe.

Ich werbe nicht unter Menschen anderer religiöser Gruppen für den Buddhismus. Aber ich sehe in Europa viele junge moderne Menschen, die ihren gesunden Verstand verloren haben und in Depression verfallen sind. Sie führen damit sich selbst und diese Gesellschaft in eine Sackgasse. Diese Generation gefährdet die ganze Menschheit.

Genau dieser Generation biete ich die Praxis des Zen im Sitzen an, damit sie den richtigen Weg zu ihrem kostbaren und schönen Leben finden kann. Aus diesem Grund habe ich in Deutschland ein Zen-Zentrum gegründet. Ich glaube fest, dass solche Anleitung die wahre Lehre Buddhas ist und trete daher gegenüber Menschen aller Glaubensrichtungen stolz für die Zen-Praxis ein, damit sie sich durch Zen kraftvoller ihrem religiösen Leben hingeben können. Es stimmt mein Herz ausgesprochen traurig, so genannte religiöse Menschen zu beobachten, die ihren eigenen Geist nicht kontrollieren können und sich dadurch Fehlverhalten erlauben, das irreparable Schäden zur Folge hat.

Die Zen-Meditation ist eine Übung, den eigenen Geist vollständig zu kontrollieren. Ich bin zuversichtlich, dass diese Praxis Sie direkt zu Ihrem reinen Geist führt, Sie Ihre wahre Seele erkennen lässt und Sie mit großer Weisheit und mit viel Energie für tiefe Erkenntnis und ein gesundes und kräftiges Leben versehen wird.

„Erleuchtung" bedeutet im Buddhismus „den eigenen wahren Geist in aller Klarheit verstehen".
Wer seinen wahren Geist sieht und erkennt, versteht alle Geheimnisse und Rätsel von Leben und Tod und ist für immer frei von allen Hindernissen. Sich des eigenen Geistes gewahr zu werden, Erleuchtung also, hat nichts mit bestimmten philosophischen Anschauungen, mit der Anhäufung von Wissen oder einer Forschung durch vertieftes Lernen zu tun.

Vor etwa 1200 Jahren lebte zum Beispiel in Südchina ein ungebildeter junger Holzfäller. Er ging mit Brennholz auf dem Rücken zum Markt, um es zu verkaufen. Auf dem Heimweg hörte er aus dem Fenster eines kleinen Gasthofs die Stimme eines Mönches, der ein Sutra rezitierte. Indem er dieses ihm unbekannte Sutra hörte, verwirklichte der junge Holzfäller eine plötzliche große Erkenntnis. Dieser junge Holzfäller wurde später unter dem Namen Hui-neng Mönch und veränderte die gesamte Geschichte des chinesischen Buddhismus. Wir verehren ihn als den Sechsten Patriarchen, wobei die Zählung mit Bodhidharma als erstem Patriarchen in China beginnt.

Eines Tages, kurz bevor Hui-neng die Ordination zum sechsten Patriarchen erhielt, geschah es, dass er an einem Tempel namens „Beob Sung Sa“ vorbeikam und Zeuge eines Streitgespräches wurde, das zwei auf einem Felsen sitzende Mönche führten. Die beiden stritten über eine Fahne, die an einem Mast flatterte. Der eine Mönch behauptete, es sei die Fahne, die sich bewege. Der andere Mönch dagegen warf ein, was sich hier bewege, sei vielmehr der Wind, nicht die Fahne. Wenn man über die wirkende Ursache der Bewegung nachdenkt, erlaubt diese Streitfrage, wie trivial sie auch scheint, keine wirklich einfache Antwort.
Da tadelte Hui-neng die Mönche und sagte: „Was sich wirklich bewegt, ist weder der Wind, noch die Fahne!“ Schlechterdings verblüfft über diese vollkommen unerwartete Antwort auf ihre Streitfrage, fragten die beiden Mönche Hui-neng: „Verzeihen Sie, mein Herr, aber was ist es dann, was sich wirklich bewegt?“ Hui-neng erwiderte: „Was sich bewegt, ist euer Geist!“

Wenn ein Christ mich fragen würde: „Wie können wir alle Gewalt überwinden?", würde ich antworten: „Warum glauben Sie nicht an die Bibel, und warum bereuen Sie nicht Ihre eigenen Sünden?". Wenn Sie wirklich gewahr werden, dass Gewalt und feindselige Aggressionen nur der Lohn für Ihre eigenen Sünden sind, verschwinden alle Qualen spurlos.

Und wenn mir ein Buddhist die oben genannte Frage stellen würde, dann würde ich erwidern: „Warum glauben Sie nicht an die Lehre des Buddha? Hat Buddha nicht gesagt, dass alle guten und schlechten Situationen bloß die Folgen deines Karmas der Vergangenheit sind? Woraus also entspringt die Folge von allem Guten und Schlechten?“
Alle Wesen werden von aller Gewalt und Feindseligkeit nur frei werden, wenn sie ihren klaren Geist erkennen und beständig aufrecht erhalten.

Wenn mich jemand fragte: „Ehrwürdiger Mönch, wie überwinden Sie bei sich selbst Gewalt und Feindseligkeit?", würde ich erwidern:

Wenn es kalt ist, ziehe ich Kleider an,
wenn es heiß ist, ziehe ich sie aus.

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